Die Welt ist (m)eine Bühne und Sie sind (m)ein Publikum. Setzen Sie sich. Es geht wieder los.
Anderthalb Jahre Bühnenabstinenz, 34 unbezahlte Liveauftritte bei Instagram, 12 bezahlte Streams und 47 Kameralinsen in die ich blickte und sprach und lächelte und nichts fühlte. Denn dort ist kein Publikum, da sind keine Menschen. Keine echten jedenfalls und meine Handykamera lächelt niemals zurück, die Menschen im Studio dürfen nicht lachen, nicht klatschen und lauschen auch selten, denn sie müssen ja arbeiten, den nächsten Schnitt vorbereiten, müssen ja regeln, im Hintergrund sortieren und organisieren, was nach mir geschieht. Und in mir geschieht währenddessen echt wenig und das ist so schade und endlich vorbei.
Denn es geht wieder los. Wir dürfen auf Bühnen und ihr dürft davor. Wir dürfen gemeinsam in Mikrofone sprechen und ihr dürft gemeinsam genießen und klatschen und lachen und jubeln und darauf anstoßen, dass endlich was geht. Und es geht mir sehr gut damit, ich bin wieder da. Bin auf Bühnen zuhause, hab das lang nicht gefühlt und die Bühne und ich, wir haben uns beide verändert. Sind beide gewachsen. Uns beiden fehlten die Menschen, das Zittern im Backstage, das Aufatmen danach, das Pendeln auf der Bühne, leicht vor und zurück, die Gestik und Mimik, die Zettel im Rucksack, das Bierchen zum Schluss. Ich sehe die Bühne noch schärfer als damals – trage heute auch Brille und sehe viel mehr. Hatte das Brennen verloren, den Spaß an der Sache, ich sah nach den Anfängen nur Angst vorm Nicht-weiter-kommen, sah nur das Scheitern, das nicht weiterwachsen. Ich sah die Bühne als Arbeit und mich als nicht gut genug, aber zu gut bezahlt für das, was ich eigentlich leiste. Ich sah mich zu klein auf zu großen Bühnen und sah durch Texte hindurch zum schnell wieder gehen. Jetzt seh ich wieder meine Heimat hier oben hinterm Mikro mit Zettel in der Hand und einem Grinsen im Gesicht. Meine Texte sind gewachsen, mit mir gemeinsam, haben sich weiterentwickelt und die Bühne, die schöne, begrüßt mich nach Jahren mit offenen Armen.
Wie kann ich beschreiben, was Bühne bedeutet? Wie es sich anfühlt, hier oben zu stehen, reden zu dürfen und Ohren zu haben, die gerne zuhören. Wie kann ich das Zittern, das innere Beben nur spürbar und das Rauschen des Adrenalins noch zwei Stunden später hörbar für euch machen? Vergleiche mit Achterbahnfahrten scheinen mir viel zu stumpf und ganz ehrlich, vollkommen vergöttern will ich das hier oben auch nicht. Denn ich habe auch Angst, dass es wieder normal wird. Wieder wie vorher mehr Arbeit als Spaß bringt. Wieder die Aufregung mir den ganzen Tag stiehlt und nach zehn Minuten Auftritt in mir kein Gefühl blieb. Gerade kann ich den Tag vor dem Auftritt entspannt sehen und die Bühne mit sowas wie Freund*innen betreten. Grad gibt es im Backstage mehr Persönliches als Berufliches zu bereden und danach gibt’s ganz sicher ein baldiges Wiedersehen.
Ich denke, ich bin mehr noch, viel mehr noch ich selbst. Und ich lerne immer wieder, dass die Leute das lieben. Authentizität zählt mehr als die Rolle, die ich auf Bühnen sonst gelebt hab. Ich hab immer gelogen, ein bisschen jedenfalls. Für den Schutz meiner selbst und den meiner Liebsten. Doch nun bin ich ich und ich sag, was ich will. Und diese Gelassenheit spür ich beim Schreiben und Lesen und beim auf die Bühne gehen und bei allem, was zurückkommt, währenddessen und danach.
Doch irgendwie ist es noch immer ganz komisch, wieder vor Menschen zu treten. So unwirklich und fast schon naiv genieße ich jede Sekunde und sauge alles auf. Es ist immer noch komisch, unter Menschen zu sein, mit so vielen unter einem Dach, beim Feierabendbier in der Kneipe, beim Bummeln in der Stadt. Ich verstehe noch nicht, dass ich außerhalb essen kann, anders als daheim mich mit mehr Leuten treffen kann und wieder lesen darf vor echten Menschen und auf echten Bühnen. Und wenn ich euch sehe, so viele direkt nebeneinander, so viele, dass sie einzeln von hier oben kaum Beachtung finden und wieder als Masse in Applaus und Lachen untergehen, dann ist das zwar komisch, doch auch wunderschön.
Denn es klingt gut. Ihr klingt gut. Ich lache so gern mit euch zusammen und ich klatsche auch euch gern zu, denn ein besseres Publikum hätte es gerade in diesem Moment in dieser Stadt vor dieser Bühne kaum geben können. Schön, dass ihr da wart. Schön, dass ihr euch wieder setzen könnt und schön, dass ich stehen darf. Auf einer echten Bühne, vor echten Menschen mit echten Geräuschen.
Also gehen Sie. Gehen Sie vor Bühnen und setzen Sie sich und lauschen gespannt. Denn wir brauchen Sie dringend, das ist heute nochmal klarer als noch vor einem Jahr, als der letzte Vorhang plötzlich nicht mehr geöffnet werden durfte. Dieser Vorhang ist jetzt offen und dahinter stehen Menschen und davor sitzen Sie und jeder dieser Plätze bringt ein Kribbeln mit sich und dieses Kribbeln ist so schön also setzen Sie sich und genießen die Show. Es geht wieder los.
Sarah Lau