»Du hast nicht für mich gekämpft, du hast dich mir ergeben.«
Diese Sätze kommen mir. Es ist halb 3 in der Nacht. Und ich sage sie mir vor, wie ein Gebet, bete sie auf und ab, dass sie mir nicht entweichen, nicht von anderen Gedanken verdrängt werden, abgeschoben quasi, ersetzt, viel zu schnell, wie eine Liebe, die schmerzt, doch eigentlich bin ich viel zu müde. Und eigentlich ist’s im Bett zu bequem. Und eigentlich sollte ich schlafen und aufstehen und meine Hausarbeit schreiben.
Meine Hausarbeit, wie Hausaufgaben von damals in der 5., Mathe vor allem, nur mehr Arbeit und irgendwie wichtiger, weil Note und Master und Zukunft irgendwie. Bin irgendwie erwachsen geworden, doch erwecke in mir noch das Kind. Schreibe von Diddl und Fanta, während ich Bier trinke und mir das nächste Spielzeug auf Amorelie bestell‘.
»Schreib mal über dich«, sagst du mir. Doch das tu ich schon lange. Mit jeder Zeile über Bäume und jedem Satz über die Welt schwingt ein bisschen von mir mit. Ja, jeden Menschen, den ich nenne, den kenne ich wohl auch, spätestens erkenne ich ihn in mir wieder, ich schreibe mich nieder. Und das ist auch manchmal doof. Und peinlich. Alte Texte von früher kann ich heute nicht mehr lesen und auch die von vor einer Woche sind mir manchmal schon fremd. Denn mit jedem Wort lern‘ ich dazu und jeder Satz hilft zu verstehen. Jeder Buchstabe ist Kritik und jeder Punkt ein Aufatmen. Jedes Komma nur ein Schreck und der Genitiv generell einfach scheiße.
Litfaßsäule schreibt man mit »ß«. Und »wider« als »gegen« ohne »e« und »nämlich« ganz sicher ohne »h«, doch jeder Streit über den Artikel von Nutella bringt mich zur Verzweiflung. »Lass uns aufhören«, sag‘ ich. Ich will Recht haben und mein Toast zurück.
Und es gibt niemanden mehr, der etwas tut ohne Ziel, ohne Sinn, ohne Wert für einen Schritt weiter. Wir
schreiben für den nächsten Buchstaben, für das nächste Wort, für den nächsten Absatz, nächstes Kapitel, nächste … Hausarbeit. Doch selten nur für uns.
Doch Hauptsache wir lernen dazu. Hauptsache wir lesen jedes Buch, jede Zeitung übers Glück und sagen brav »Gesundheit!« wenn jemand niest. Ich hab gehört, das ist jetzt unhöflich? Etikette ist beschissen. »Schreib doch darüber«, sagst du und dann rege ich mich einen Text lang auf, schreie die Buchstaben aufs Papier, zerstöre Nomen und verbrenne Verben, lasse mich selbst in Adjektiven lodern, doch beim zweiten Mal lesen ist alles gelöscht, alles verflogen und plötzlich wieder aufgeräumt und ich erschrecke mich vor mir selbst.
Dann erwische ich mich beim Schönmalen, beim Schnörkellinien ziehen, beim Make-up auftragen, ja, ich beschreibe mich zu gut. Bin zu brav, zu nett, zu frech, bin zu schön, um zu verstehen, doch eigentlich zu klug, um das nicht zu tun, ich weiß alles und will noch mehr, wissbegierig und besserwisserisch aber sympathisch! Ich lüge. Ich lüge so laut, dass es niemand mehr hört, vor allem ich nicht. Doch wenn ich dann hier stehe und so rede, dann merke ich, wie dumm ich kling, wie weltverbesserisch, doch ohne Kraft nur Sprache hab.
Dann werd‘ ich krank, lieg‘ flach im Bett, kann weder essen noch denken, doch schreibe drauf los. Schreibe dir auf Whatsapp, wie krank und schlapp ich bin und du schreibst mir nicht zurück, dein Akku ist leer. Also schreibe ich auf Papier, mal wieder drauf los, erst mecker und kränkel ich, dann steiger ich mich rein, dann weine und lache ich, bin verrückt und lass es sein, dann entsteht da mal kein Text, nichts Gutes für die Bühne und nichts Kluges für ein Buch, nichts wissenschaftlich-relevant und ganz sicher nichts für dich. Doch ich merk‘, es geht mir besser und du antwortest dann auch und bekundest mir dein Mitleid, doch ich merk‘, dass ichs nicht brauch‘.
Dann schreib‘ ich meine Hausarbeit, bin endlich mal bereit dazu. Ja, ich hab‘ ganz viel gelesen und markiert und umgeblättert. Und dann hab‘ ich viel geschrieben und in Stichpunkte verfasst um dann weiter am Konzept zu feilen und Inhalte zu überdenken, weiter motiviert und immer wieder einen Platz gesucht, in der Bib und im Café, zu Hause war es auch ganz nett, hab‘ versucht entspannt zu bleiben, viel zu trinken, Sport zu treiben, hab‘ versucht früh aufzustehen und vor vier im Bett zu sein. War mal nicht auf dieser Party und auch heute geht’s nicht raus, nein ich sitze jetzt am Schreibtisch und mach‘ später mal ne Pause. Jetzt erst rasen meine Finger über Tastaturenfelder, um dann möglichst schnell Kapitel um Kapitel abzugrasen, Wissenswertes abzumähen, zu zeigen was ich kann, denn ich kann das alles gut. Schreibe Sätze schlüssig nieder, zieh‘ ein Fazit und Vergleiche und zitiere hin und wieder. Und dann stürz‘ ich in die Fußnote, um Quellen anzugeben, die dann später auch verzeichnet erst perfekt gewürdigt werden. Ja, ich schreibe jede Stelle, die ich nenne, fleißig auf und zum Schluss wird korrigiert, was ich da geschrieben hab‘, suche Fehler und Vergessenes und es fällt mir zu viel auf. Schließlich schick‘ ich sie weg oder schmeiße sie ein und dann gehe ich heim und schenke mir ein, denn das Bier ist zum Feierabend wirklich verdient. Denn schon morgen geht es weiter, steht die nächste Arbeit an, ja schon morgen muss ich wieder und dann nächsten Monat auch und danach geht’s dann so weiter und zum Schluss dann nochmal riesig und ich denk‘ ich muss es schaffen und gleich ist‘s doch auch vorbei, ja gleich ist‘s doch wohl geschafft, dann bin ich endlich frei, doch dann kommt ja erst das Leben.
Ja, dann geht es doch erst los und dann brauch‘ ich das vielleicht nicht mehr und sitzt, vorm leeren Blatt. Ein neues Kapitel. Der erste Satz fällt schwer, der erste Buchstabe scheint falsch und erst am Schluss bemerkt man die Kommafehler.
Doch mit jedem Wort lern‘ ich dazu und jeder Satz hilft zu verstehen. Jeder Buchstabe ist Kritik und jeder Punkt ein Aufatmen. Jedes Komma nur ein Schreck und der Genitiv generell einfach scheiße.
Schreib‘ mal über dich. Also schreib‘ … vielleicht einfach mal nur so.
Sarah Lau
handmade with by netfellows
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google Maps. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google Maps. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Mapbox. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von OpenStreetMap. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen