No Limit

»Sparen war noch nie so einfach!« Heute schon an morgen denken, Geld beiseitelegen, Mehl und Konserven kaufen, nicht mehr rausgehen, Nudeln mit Pesto, lieber daheim fernsehen, nie wieder Kino. Setzen Sie sich, dann geben sie nichts aus. Bewegen Sie sich, dann bleibt die Heizung aus.

Ich gebe gern Geld aus: Beim Shoppen, beim Essen, beim Trinken erst recht – Kaffee und Weißwein, Rotwein und Craftbeer. Ich gebe gerne Geld aus für Geschenke für mich, meine Liebsten, am liebsten für uns beide zusammen. Für dieses Hotel, für dieses Erlebnis, dieses letzte Konzert in Berlin. Ich will was sehen, was erleben, was lernen und verstehen, dass es nicht ums Geld geht, selbst wenn alles nur ums Geld geht. Doch Luxus ist für mich nicht die Jacke von Gucci, 5 Sterne Hotels und Urlaub in New York. Luxus ist Zeit für mich, für uns, Zeit dazu zu haben, sich Zeit zu nehmen. Zeit, nicht auf die Uhr schauen zu müssen, nicht auf den Plan und nicht auf das Geld achten zu müssen, wenn wir gerade so glücklich sind. Wenn wir gerade tanzen, wenn das Konzert doch so schön war, die Erinnerung daran. Wenn Schweigegeld mich meinen Unterhalt kostet, dann sage ich »Ja!« und freue mich auf Unabhängigkeit.

Denn Geld macht Angst, vor allem wenn es fehlt. Und Geld macht abhängig von dem, der es ausnutzt, um zu binden, was sonst nicht zusammenhängt. Und Geld macht nur glücklich, wenn man es ausgeben kann ohne schlechtes Gewissen.

Wir waren nie reich, auch wenn du es manchmal gesagt hast, wenn ich nach deinem Arm gefragt habe. Hast mit einem Lächeln diesen Wortwitz hervorgebracht, der so gut zu dir passte, noch besser als ich. Und auch wenn ich die Kleidung meines Bruders trug, bis sie kaputt war; auch wenn ich kaufte, was nachhaltig nicht korrekt war; auch wenn ich aß, was weder gesund noch reichhaltig war: Es hat satt gemacht und es ging schnell und war lecker und gut ging es uns sowieso. Ein Snickers zum Mittagessen, weil Mama noch arbeiten musste. Ein Leben für die Arbeit, für die Kinder, für das Geld, was am Ende des Monats noch übrig blieb, für einen Ausflug in die Schweiz. Am No-Limit-Tag gab es statt Taschenbüchern die gebundenen guten, wie Schätze nach Hause getragen. Da gab es kein »Nein« mehr, kein Achten aufs Geld, da gab es nur Spaß und Freude und uns drei.

Man spricht nicht über Geld, aber Reden ist so wichtig.

Verkauf dich nicht unter deinem Wert, aber miss deinen Wert nicht in Euro.

Deine Arbeit ist viel wert, doch noch mehr ist es dein Leben. All das, was du erlebt, was du gesehen hast zum Schluss.

Versteht mich nicht falsch. Wenn es ums Geld geht, komme ich ins Stottern und passe auf, niemanden auf den Schlips zu treten – egal, ob er von Prada oder aus dem 1€-Laden ist. Es geht nicht um Kleidung, es geht hier um dich. Es geht nicht ums Rechnen, es geht ums Gewinnen. Gewinnen an Freude, gewinnen an Leben, gewinnen an Erinnerungen, die uns so schnell keiner nehmen kann. Das muss nicht viel Geld kosten, meistens nur Mut, meistens nur ein Auge zu, ein Blick auf die Rechnung und Trinkgeld dazu, weil es jetzt nicht ums Geld geht, worum es geht, bist du.

Und natürlich müssen wir bezahlen, was es so zu zahlen gibt. Natürlich gibt es Geldsorgen und Gedanken an die Zukunft. Natürlich ist die Miete woanders noch teurer und ganz sicher ist vegan leben noch immer ein Luxus. Und ohne Asche in der Tasche kommt niemand wirklich weit, meistens nicht einen Schritt vors Haus, weil die Gesellschaft vergisst, dass es noch andere Menschen gibt, dass dort vielleicht nicht einmal ein zu Hause ist. Da muss man schon im Mittelfeld spielen, um überhaupt gesehen zu werden, gehört zu werden. Aber mit Kröten auf der Bank, mit Mäusen im Portemonnaie, mit Kohle im Gepäck lohnt sich das Reisen auch nur, wenn man Zeit dafür hat.

Wir müssen arbeiten, um zu leben. Aber ein Leben für die Arbeit ist wirklich nichts, was es mir wert ist, das aufzugeben.

Denn nachdem alle Rechnungen bezahlt sind und das Sparbuch mir den Rücken stärkt; nachdem der Einkauf erledigt und die Waschmaschine abbezahlt, hab‘ ich mir einen Kaffee verdient, mit Karamell und Hafermilch, mit Kuchen natürlich und danach kauf‘ ich mir einen schönen neuen Bilderrahmen für ein Foto von uns von genau an diesem Tag, weil der so schön ist wie immer. »Und schau mal hier, darüber sprachen wir letztens, ich hab‘ es im Laden gegenüber gefunden und ich dachte, du freust dich. Hier bitteschön. Bitte setz‘ dich zu mir, was möchtest du haben? Das geht heute gerne, sehr gerne auf mich.«

Am Ende des Monats ein No-Limit-Tag, wie meine Mutter mir das damals so schön beigebracht hat. Nachdem alles erledigt und alles geschafft, alles bezahlt und sicher gemacht, ja am Ende des Monats, da darf man das. Denn Geld ist gefährlich, doch richtig damit umgehen macht meistens auch Spaß.

 

Sarah Lau