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Gut, ich gebe zu, mit zwölf Jahren fand ich die Periode lästig, ich hatte Schmerzen und musste mir in der Schule heimlich Tampons von Freundinnen borgen. Mir wurde beigebracht, um meine Menstruation ein Geheimnis zu machen. Denn schon seit meiner ersten Blutung war klar: Das ist ekelig, unhygienisch, riecht komisch und macht nur Dreck.
Jetzt bin ich 23 und habe keine Lust mehr auf dieses Versteckspiel. Ich rede offen mit Partnern, Familie und Freund*innen über meine Tage und kaufe ohne roten Kopf Binden und Tampons oder was immer nötig ist, um diese Zeit zu überstehen. Und ja, ich freue mich auf meine Periode, sie gibt mir ein gutes Gefühl. Mein Körper funktioniert, wie er sollte und die ganzen Hormone sind für mich die perfekte Erklärung fürs Liegenbleiben und ungesund Essen. Meine Hygieneprodukte stehen für jeden Besuch sichtbar (und nutzbar) direkt neben der Toilette. Denn ich halte es für ein großes Problem, wie die Werbung und die Gesellschaft weiter tabuisieren, was für Menstruierende Alltag und Identität ist. Wenn Lynzy Moran in der always© Werbung trotz Periode ihren Foodtruck eröffnet, Tische und Stühle stemmt und den ganzen Tag Kunden bedient und ich ihr dabei vom Sofa aus mit Wärmflasche auf dem Bauch und 400er IBU intus zuschaue, wie soll ich mich da fühlen? – schlecht. Aber das tu ich ja sowieso schon. Und die Darstellung der Periode in blau oder glitzerrot lässt die gesamte Thematik weiter mystifiziert. Kein Wunder, dass viele Menschen Angst haben, über ihre Periode zu reden, von der Periode zu hören oder irgendwie damit in Berührung zu kommen. Dieses ganze Geheimnis um den menstruierenden Körper macht mich fassungslos.
Und ich bin noch fassungsloser als ich am 12.4. den Fernseher einschalte und »Die Höhle der Löwen« schaue. Kurzer Exkurs: Die Höhle der Löwen ist eine Fernsehshow auf Vox, die Menschen mit Geschäftsideen die Möglichkeit bietet, Investor*innen zu finden. Doch zurück zur Fassungslosigkeit, denn ich sehe noch bevor auf das Produkt eingegangen werden kann, ein Set ganz in Pink und freue mich schon ab diesem Moment auf die sexistischste Produktvorstellung des Abends. Zwei Männer werden vorgestellt, die mit ihrem Produkt »das Leben der Frauen einfacher machen« wollen. Die Stimme aus dem Off betont beim Eintreten beider, dass es sich um zwei Herren handelt, »die sich ausgerechnet hiermit auseinandersetzen«. Hiermit heißt in dem Fall mit der Periode. Denn die beiden Männer, die sich selbst als »Frauenversteher« vorstellen, haben »pinky gloves« entwickelt: Handschuhe, die nicht nur zur Entnahme und Einführung eines Tampons dienen, sondern auch zur sicheren und geruchslosen Aufbewahrung desselben. Und damit haben sie eine Lösung gefunden für ein Problem, das hauptsächlich nicht menstruierende Menschen betrifft. Denn die beiden erzählen von ihren mehrfachen, ich zitiere wortwörtlich, »einschneidenden, gruseligen Erlebnissen«, wenn sie in den Mülleimer ihrer mehrgeschlechtlichen WG blicken mussten. Hier haben sie nicht nur den Anblick ertragen müssen, wenn sich etwas Blut durch das Toilettenpapier gesogen hat, in dem die Tampons eingewickelt wurden, sondern auch diesen Geruch! Diesen furchtbaren Geruch! Nun meine Lieben, Müll muss weder gut aussehen noch gut riechen. Es passiert so viel auf der Welt und ihr beschwert euch ausgerechnet darüber? Ich werde so wütend bei dieser Präsentation und bei den begeisterten Blicken der Investor*innen und doch horche ich kurz darauf wieder begeistert auf. Denn einer der Investoren spricht das offensichtliche Problem an: Die Unternehmensinhaber sind zwei Männer, es handelt sich aber um ein Frauenprodukt, deswegen wäre eine Frau im Team von großer Bedeutung. Danke. Es geht hier nicht nur um Expertise und Erfahrung, meiner Meinung nach geht es hier auch um die Frauenquote. Doch einer der beiden Unternehmer reagiert sofort und beruhigt mit den Worten, dass sie viele Frauen im Team haben. Die sehen aber nichts vom großen Geld. Das Unternehmen teilen sich die beiden Männer 50/50, also alles super fair. Doch die beiden haben Ehefrauen, betont der Unternehmer. Na dann ist ja alles gut. Nein irgendwie ist für mich hier gar nichts gut, doch anscheinend für alle Investor*innen. Ja, die finden das richtig toll, »dass die Herren der Schöpfung für die besseren Hälften ein echtes Lösungsprodukt entwickelt haben.« Ich finde alles an diesem Satz falsch. Männer sind nicht die Herren der Schöpfung. Frauen sind keine Hälften. Kein Mensch ist eine Hälfte. Und echte Lösungsprodukte sehen für mich anders aus. Diese Lösung zeigt so viele Probleme auf, die vor allem mit Unwissen zu tun haben. Denn viele wissen nicht, was im menstruierenden Körper passiert und durch die ganze Mystifizierung wird ein Horrorszenario in Köpfen entwickelt, die dann der Meinung sind, wir brauchen einen Handschuh, der uns vor uns selbst beschützt. Ganz ehrlich, wir brauchen vor allem weniger Männer, die sich über unseren Körper beschweren und uns eine Lösung auftischen wollen, die schlussendlich nur die Tabuisierung der Periode vorantreibt, Menstruierenden mehr Arbeit macht und den Aspekt der Nachhaltigkeit komplett ignoriert.
Ich bin wütend und traurig und fassungslos. Denn das Schlimmste an dieser Produktvorstellung ist nicht, dass beide Männer tatsächlich zwei Investoren von sich überzeugen können, sondern dass vor zwei Jahren zwei Frauen mit dem Geschäftsmodell der Periodenunterwäsche, die Tragekomfort, Hygiene, Schutz und Nachhaltigkeit miteinander verbindet, keine Unterstützung bekommen haben. Sie haben es trotzdem geschafft, einen Markt zu etablieren. Doch ein bisschen Hilfe von den großen Investor*innen hätte nicht nur einen guten Startschuss, sondern auch mehr Aufmerksamkeit und Offenheit für das Thema versprochen. Nun haben also zwei Männer ihr Problem zu unserem gemacht und mit ihrer Lösung nur noch mehr Probleme verursacht. Und ich denke das Ganze nur aus Angst. Aus Angst vor der mystischen Vagina, die einmal im Monat ganz komische Sachen macht. Aber keine Sorge, Jungs: Wenn ich meine Tage habe, frage ich sicher nicht nach eurer Hilfe, das schaffe ich schon alleine und auch sicher ohne Handschuh, pinky promise.
*Tatsächlich wurde kurz nach Ausstrahlung der Sendung das Produkt nach massiver Kritik vom Markt genommen und sich öffentlich entschuldigt. Doch allein die Aufmerksamkeit bis hier her zeigt, wie wichtig und notwendig eine Entmystifizierung dieses Themas ist.
Sarah Lau
handmade with by netfellows
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