Setzen Sie sich und bleiben Sie sitzen, es ist noch nicht vorbei, die Kamera läuft noch, das Leben an uns vorbei und wir mittendrin, Schockstarre. Denn manchmal muss man innehalten. Manchmal stille*r Beobachter*in des eigenen Lebens sein, sich manchmal zurücklehnen, verstecken, ausharren. Aber irgendwann ist das Spiel vorbei, irgendwann reicht es nicht, zu warten, bis jemand anders etwas sagt, irgendwann muss man selbst aufstehen, etwas sagen und gehen. Weitergehen. Weitermachen. Sitzen bleiben und ausharren bringt selten voran.
Denn im Film, wenn die Kamera auf dich gerichtet ist, du im Spotlight bist, alle Blicke auf dich gerichtet sind und dann die Szene endet, dann bleibst du trotzdem dort, spielst weiter, improvisierst, bis jemand »Cut« schreit oder »Stopp« ruft, bis die Kamera pausiert, gestoppt, ausgeschaltet wird. Dann einatmen, ausatmen, Rolle wechseln. Das bietet Platz zum Schneiden, das bietet Füllmaterial, das ist professionell, hab‘ ich gehört. Das hat man mir so gesagt und Mama hat mir damals ein Stück Holz geschenkt mit einem Bild darauf: Eine kleine Prinzessin und dieser furchtbare Spruch: »Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitermachen.« Furchtbar, weil ich keine Prinzessin bin. Furchtbar, weil es so pink war und ich gerade in der Phase, in der ich versuchte, weiblich zu sein – blond und rosa und Kleidchen – und merkte, dass mir das nicht steht. Aber die kleine Prinzessin hatte Recht, meine Mutter sowieso. Statt »Krone richten« war es für mich eher »Kopf hoch« oder »Tränen wegwischen«, wenn die Mathehausaufgaben mich ein weiteres Mal um den Verstand brachten oder der Junge, den ich mochte, mich nicht genau so sehr zurück mochte.
Doch ich habe gelernt, dass auch das okay ist. Dass man manches idealisiert und ein »Nein danke« von der anderen Seite einen selbst ein ganzes Stück nach vorne bringt, einem selbst keine Zeit stiehlt. Und ich habe gelernt, dass man weitermachen kann, weiter vorsichtig miteinander umgehen kann, gut zueinander sein kann und sich Platz einräumen kann. Rücksicht und Vorsicht. Wenn ich nicht weiß, wer der andere ist, wie es ihm/ihr geht, was davor passiert ist und wie ich heute wahrgenommen werde. Kommunikation bringt weiter, weiterreden, ausreden lassen und zuhören. Man muss weiterkommen im Gespräch und wenn es stagniert, wenn da keine Grundlage ist, dann ist es auch okay, aufzuhören und weiterzugehen. Weg zu gehen. Danke und tschüss.
Doch wir dürfen nicht müde werden, zu sagen, was wir denken. Nicht müde werden, unsere Rechte und unsere Wünsche zu äußern, zu vertreten, anderen zu helfen, für andere einzustehen. Wir dürfen nicht aufhören, nicht einschlafen, auch wenn jedes Gespräch ein Marathon ist. Wir müssen den Standpunkt halten, durchhalten, »Nein« sagen, »es ist nicht okay«.
Und wenn die rosarote Brille langsam Realität zeigt, sich langsam zurückfärbt in das Selbstverständliche, das Alltägliche, dann liegt es an uns, sie aufrecht zu erhalten, rosa Farbe zu kaufen und Liebe dazu, ein paar Glitzerstreusel auf rosa Torten mit Zuckerguss, ein bisschen Mühe und Lächeln und »Schön, dass es dich gibt, ich bin nach all den Jahren noch immer so verliebt«.
Denn plötzlich ist man zu zweit, plötzlich nicht mehr alleine. Plötzlich gehört das Bett nicht mehr nur einem selbst, plötzlich muss man Kaffee teilen und Kuchen auch. Plötzlich gehört jedes letzte Stück von der Schokolade dir und ich nehme mir die kleine Portion, achte darauf, dass du genug bekommst, genug von dem guten Zeug. Man verschenkt am besten Dinge, die man selber gerne mag. Doch ich mag dich und geb‘ dich so schnell nicht wieder ab. Ich teile mit dir aber dich nicht gern und wer weiß, wo das noch hinführt, doch weitermachen fühlt sich gut an zu zweit.
Und plötzlich ist man erwachsen, hat Arbeit und Termine, muss dorthin und den Urlaub planen und alles auch noch selbst bezahlen. Plötzlich kostet alles Geld und Kraft und Zeit. Plötzlich muss ich nicht mehr meine Mutter fragen, ob wir uns heute verabreden können, sondern meinen Terminkalender und ich bin froh, wenn er »Ja« sagt. Plötzlich bin ich Tochter und Freundin und beides zugleich. Plötzlich kann ich helfen, meine Schultern sind jetzt stärker, ich trage dich gern ein kleines Stück mit, so wie du früher und auch heute noch mich. Plötzlich darf ich helfen, werde angerufen, du darfst weinen vor mir und ich weine mit und das ist okay. Plötzlich stehst nicht nur du hinter mir, hältst nicht nur du meine Hand, ich halte auch die deine und stärke deinen Rücken. Plötzlich ist das ausgeglichen, weil Weitermachen auch in Familie Strukturen verändert und das ist komisch aber auch schön zugleich. Denn Familie ist nicht Blut, Familie, das bist du.
Und ich bin froh, dass du dabei bist. Dass ich dir zeigen darf, wo es mich hintreibt. Dass du beim Weitermachen hinter mir stehst, mir den Rücken freihältst und ein Bett, falls ich für eine Nacht nach Hause kommen will. Für eine Nacht kurz wieder zurückkommen will, kurz noch einmal Kind sein, Tee von Mama gekocht bekommen und mir keine Gedanken um Geld, um Termine, um das Weitermachen machen muss. Einfach da sein und bleiben und dann wieder los.
Keine Ahnung wohin, aber weiter geht’s immer.
Immer voran.
Mit dem Ziel vor Augen sind lange Wege erlaubt und Abkürzungen unerwünscht, wenn der Ausblick dann fehlt, die schöne Aussicht vom Weg, hoch zu Bergen, hinunter ins Tal, die Weiten im Blick.
»Der Weg ist das Ziel«, sagen die Menschen dann immer. »Das Ziel ist im Weg«, singt Mine und ich denke, sie hat halbwegs Recht. Das Ziel steht im Weg, wenn das Ziel nicht du selbst bist. Die Route kann sich ändern, dein Schritttempo darf wechseln, doch das Weitermachen, der Weg und du – das bleibt und wird bleiben.
Sarah Lau
handmade with by netfellows
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